Milliardär Narayana Murthy: Inder sollten 70 Stunden in der Woche arbeiten (2024)

Milliardär Narayana Murthy: Inder sollten 70 Stunden in der Woche arbeiten (1)

Bianca Litscher

Narayana Murthy, IT-Unternehmer aus Indien, fordert seine jungen Landsleute auf, 70Stunden in der Woche zu arbeiten. Das sei nötig zum Wohle des Landes, findet der Schwiegervater des britischen Premiers Rishi Sunak.

Drei Jahre später packt er nochmals 6Arbeitsstunden obendrauf. Und siehe da: Narayana Murthy wird erhört. Junge Inderinnen und Inder, sagte der 77-jährige indische Multimilliardär im Podcast «The Record», müssten bereit sein, 70Stunden pro Woche zu arbeiten, um die Produktivität des Landes zu verbessern. Die Aussage geht um die Welt, löst Diskussionen und Polemiken aus, spaltet die indische Wirtschaftselite «wie ein Hieb mit einer Axt», wie die indische Tageszeitung «The Economic Times» schreibt.

Einen ähnlichen Vorschlag machte Murthy bereits 2020: 64Arbeitsstunden pro Woche während zwei, drei Jahren würden helfen, die wirtschaftlichen Dämpfer der Corona-Pandemie auszugleichen.

70Stunden? Sicher, die Aussage liegt ziemlich quer zum aktuellen westlichen Zeitgeist. Dass die Geschichte den Weg über Indien hinaus in die Medien gefunden hat, dürfte auch damit zu tun haben, dass Narayana Murthy der Schwiegervater des britischen Premiers Rishi Sunak ist.

Und sie wirft ein Licht auf einen interessanten Unternehmer, dessen Namen in Indien fast alle kennen. Er wird dort als «Bill Gates von Indien» oder «Mahatma Gandhi unter den indischen Unternehmern» bezeichnet, der indische Staat verlieh ihm für seine Verdienste ebenso einen Orden wie Frankreich oder Grossbritannien. Hierzulande ist er hingegen kaum jemandem bekannt. Obwohl wir in unserem Alltag zwischendurch durchaus mit den Auswirkungen seines Erfolgs konfrontiert sind: mit Spezialistinnen und Spezialisten, die von weit weg unsere IT supporten.

Nagavara Ramarao Narayana Murthy hat 1981 den IT-Konzern Infosys mitgegründet. Das nötige Startkapital von 10000Rupien lieh er sich bei seiner Frau, denn kurz zuvor war er mit seiner ersten Firma gescheitert. Mit dieser hatte er Software für einen damals laut seinen eigenen Worten «nicht existenten» indischen Markt entwickelt. Mit Infosys setzte er nun auf das sogenannte «global delivery model». Infosys wurde so zum Pionier des Outsourcings von IT-Dienstleistungen nach Indien, das dank gut ausgebildeten Fachkräften und tiefen Kosten von der Globalisierung profitierte.

Heute zählt der Konzern weltweit mehr als 300000Mitarbeiter. Murthy ist seit 2011 pensioniert, hält eine Minderheit am Unternehmen und ist inzwischen Multimilliardär. Laut «Forbes» beläuft sich sein Vermögen auf 4,2MilliardenDollar, seit 2020 hat es sich mehr als verdoppelt.

Anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums von Infosys schaute Narayana Murthy in seine eigene Vergangenheit zurück. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf, lebte zusammen mit sieben Geschwistern, der Grossmutter und seinen Eltern vom Lohn, den der Vater als Lehrer verdiente. «Das Indien meiner Jugend war ein Indien der unteren Mittelschicht mit kleinen Hoffnungen und noch kleineren Träumen», erzählte Murthy. «Ich habe einfach akzeptiert, dass es in den indischen Unternehmen eine gläserne Decke gibt: Erfolgreich waren die mit guten Kontakten zu Regierung und Verwaltung.»

In den siebziger Jahren arbeitete Murthy in Paris, erst da sei ihm bewusst geworden, dass man diese Decke durchbrechen könne. Damals sei er von einem «verwirrten Linken zu einem überzeugten Kapitalisten» geworden: 1974 reiste er fast ein Jahr lang per Autostopp durch Europa, wunderte sich über die Unterschiede zwischen Ost und West, zwischen Kommunismus und Demokratie. Dabei sei ihm klar geworden, dass ein Land nur durch die Schaffung von Arbeitsplätzen gedeihen könne – «und die Einzigen, die das tun können, sind Unternehmer».

Als Unternehmer wollte Narayana Murthy Vorbild sein: Jeden Tag sass er pünktlich um 6Uhr20 im Büro, bis das Unternehmen die Umsatzgrenze von einer Milliarde Dollar knackte, flog er Economy-Class. Bis heute wohnt er mit seiner Frau in einer bescheidenen Wohnung, fährt ein kleines Auto, spült Geschirr, und es heisst, er putze jeden Tag die Toilette. Demut sei eine der wichtigsten Tugenden, die er seiner Tochter und seinem Sohn habe vermitteln wollen.

Seine Tochter Akshata führt heute in England einen aufwendigeren Lebensstil als ihr Vater. 10DowningStreet statt einfache Wohnung: Sie ist mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak verheiratet und besitzt eine Beteiligung an Infosys von 0,9Prozent. «Rishi Sunaks Frau ist reicher als die Queen», titelte «The Guardian» in einem Porträt der 43-Jährigen.

Die Zeitung schätzt das Vermögen des Ehepaars auf knapp 600MillionenFranken. Narayana Murthy dürfte mit Genugtuung sehen, dass sein Schwiegersohn mehr als 70Stunden pro Woche arbeitet. Trotz des Reichtums.

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Jörg Wimalasena, New York

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